Auch wenn sie erst in ein bis zwei Quartalen zu sehen sein werden: Die Coronakrise wird auch Auswirkungen auf die Immobilienmärkte haben. Kristina Chorna und Elena Reuter beurteilen die Chancen und Risiken für die einzelnen Nutzungsarten wie Büro, Wohnen, Logistik oder Einzelhandel.
Seit dem Ende des vergangenen Jahres verbreitet sich das Coronavirus über den gesamten Globus und legt mittlerweile das öffentliche Leben in vielen Regionen weitgehend lahm: Menschen arbeiten von zu Hause, Läden werden geschlossen, teilweise werden Ausgangssperren verhängt. Einige Länder haben den nationalen Notstand ausgerufen, um auf die außergewöhnliche Situation zu reagieren.
Die mit dem Versuch der Eindämmung des Virus einhergehenden Maßnahmen fordern den Preis eines starken Wirtschaftseinbruchs. Über die langfristigen Auswirkungen besteht erhebliche Unsicherheit. Dies zeigt sich bereits an den Aktienmärkten, die in den vergangenen Wochen unter teilweise immensen Tagesschwankungen dramatisch gefallen sind. Die Coronakrise wird auch Auswirkungen auf die Immobilienmärkte haben, die sich von der konjunkturellen Entwicklung nicht abkoppeln können. Im Gegensatz zu den liquiden Märkten lassen sich die tatsächlichen Auswirkungen auf illiquide Assetklassen wie Immobilien, bedingt durch die Bewertungssystematik, aber erst frühestens ein bis zwei Quartale später in den Preisen beobachten. Einige Vorboten und Signale aus dem Markt kann man aber bereits beobachten und Schlüsse daraus ableiten:
Die im Folgenden dargestellten Punkte gelten für den Immobilienmarkt grundsätzlich. Wir sehen jedoch wirtschaftlich besser aufgestellte Länder wie etwa Deutschland in einer stabileren Ausgangssituation. Hier ist sowohl der Spielraum für Stützungsmaßnahmen als auch die Wahrscheinlichkeit einer schnellen Erholung deutlich höher und die Risiken sind entsprechend geringer. Die Staaten Süd-, Mittel- und Osteuropas können vergleichsweise negativer als Deutschland getroffen werden. Entscheidend ist aber vor allem die Nutzungsart, die individuelle Lage der Immobilie sowie die Mieterbonität.
Es bleibt auch festzustellen, dass je nach Höhe des Fremdkapitalanteils in der Finanzierung einer Immobilie Mietausfälle zu einem Verlust von Eigenkapital führen können. Aus diesem Grund haben wir bei unseren Empfehlungen in den vergangenen Jahren auf vergleichsweise niedrigere Fremdkapitalquoten geachtet.
Allgemeine Auswirkungen des Coronavirus
Die Generierung laufender stabiler Erträge durch langfristige Mietverträge ist eines der wichtigsten Argumente für Investitionen in Immobilien. Zunächst sichern diese Verträge feste Mieteinnahmen, die auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Bestand haben sollen. Allerdings spüren bereits jetzt einige gewerbliche Mieter die wirtschaftlich angespannte Situation in Folge von Zwangsschließungen von Geschäften und Ausgangssperren für die potenzielle Kundschaft. Sollten Mieter in Zahlungsschwierigkeiten kommen, stellt sich die Frage, wie mit einer solchen Situation umgegangen wird. Schon jetzt bitten Gewerbemieter, etwa aus dem Einzelhandel- oder Gastronomiebereich um Mietstundungen oder Mietreduzierungen. Dabei besteht die größte Gefahr darin, dass ein Totalausfall der Miete in Folge einer Insolvenz des Mieters droht. Um diesem vorzubeugen und langfristig nicht in eine Abwärtsspirale zu geraten, können kurzfristig bilaterale Absprachen eine Win-Win-Lösung für beide Parteien sein.
Mittelfristig bleibt abzuwarten, wie sich die Nachfrage in der Neu- sowie Nachvermietung entwickelt. Dies wird vor allem von der Dauer der Wirtschaftskrise infolge der Verbreitung des Virus abhängen. Die wirtschaftliche Unsicherheit könnte Unternehmen und Privatpersonen davon abhalten, neue Flächen anzumieten oder sich zu vergrößern. Gewerbliche Immobilien mit längeren WALTs (Weighted Average Lease Term) und solventen Mietern bieten aktuell die größte vertragliche Sicherheit. Gleichzeitig könnten Mietsteigerungen, wie in den beim Ankauf angenommenen Business-Plänen, zunächst nur schwer durchzusetzen sein. Ein generelles Abkühlen des Mietniveaus aufgrund der wirtschaftlichen Folgen könnte das Preisniveau ebenfalls drücken. Allerdings ist der Eintritt dieser Folgen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu beurteilen.
Quarantäne und Ausgangssperren haben in den letzten Wochen auch das Transaktionsvolumen beeinträchtigt. Wir rechnen damit, dass die Transaktionen im ersten Halbjahr 2020 abnehmen, solange die Unsicherheit über die Einflüsse des Virus weiter besteht. Kurzfristig könnte die Preisentwicklung durch eine geringere Liquidität im Markt negativ beeinträchtigt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die Anleger mit Immobilieninvestitionen abwarten. Langfristig rechnen wir zunächst nicht mit Illiquidität am Markt, da gerade in Krisenzeiten Opportunitäten zu finden sind.
Auswirkungen auf die einzelnen Nutzungsarten
Büro
Büroimmobilien, die von Investoren am stärksten nachgefragte Nutzungsart, werden maßgeblich von der Konjunktur beeinflusst. Sollte diese abflachen, könnte dies das Mietniveau und damit auch die Preise senken. Da das Angebot an leerstehenden Flächen aber gering und die Anzahl geplanter Fertigstellungen relativ niedrig ist, sind kurzfristig wahrscheinlich keine allzu großen Auswirkungen auf das Mietniveau zu erwarten. Sollte die wirtschaftliche Abkühlung jedoch länger andauern und staatliche Zuschüsse keine Wirkung zeigen, drohen einigen Unternehmen deutliche Einnahmeausfälle bis hin zur Insolvenz und dadurch Mietausfälle. Zudem dürfte die Unsicherheit über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung die Schaffung neuer Arbeitsplätze und damit auch die Nachfrage nach Büroflächen negativ beeinflussen. Durch die praktische Erprobung von Home-Office-Konzepten könnte zudem die Akzeptanz dieser Arbeitsweise weiter steigen, wodurch bei Unternehmen der Flächenbedarf pro Mitarbeiter und damit die Nachfrage nach Mietflächen zusätzlich sinken könnte. Co-Working-Anbieter, die in letzter Zeit expandierten und große Flächen bezogen, könnten durch das akute Ausbleiben von Kunden Schwierigkeiten bekommen, ihre Mietverbindlichkeiten zu bedienen. Da Co-Working-Anbieter aber nach wie vor einen niedrigen Anteil am Gesamtbüromarkt ausmachen (z.B. in USA weniger als 2 %) sollte dies keine gravierenden Auswirkungen auf den Büromarkt haben.
Einzelhandel
Der stationäre Einzelhandel ist am stärksten von den Auswirkungen der Coronakrise betroffen. Durch die Schließung von nicht-infrastrukturrelevanten Läden und das Ausbleiben des darauf entfallenden Konsums wird der Umsatz erheblich beeinträchtigt. Dies könnte sich ebenfalls auf vereinbarte Umsatzmieten und die Zahlungsfähigkeiten der Mieter auswirken. Gerade High-Street-Immobilien und Shopping-Center könnten dadurch massive Umsatz- und infolgedessen Mieteinbrüche erleiden. Objekte mit einem hohen Anteil an Food-Retail (Lebensmittel) beziehungsweise infrastrukturrelevantem Einzelhandel könnten weitestgehend unbeschadet aus der Krise hervorgehen, da diese aktuell von Schließungen und Umsatzeinbußen weniger betroffen sind.
Wohnen
Der Einfluss der Coronakrise auf Bestands-Wohnimmobilien wird aktuell als gering eingestuft. Private Haushalte werden weiter in der Lage sein ihre Miete zu bezahlen. Allerdings bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Krise mittel- bis langfristig auf den Arbeitsmarkt hat. Daher gilt eine besondere Aufmerksamkeit der Entwicklung der Arbeitslosen- und Kurzarbeitsquote. In Deutschland sollen von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Mietverpflichtungen durch staatliche Unterstützung entlastet werden. Bei einer wirtschaftlichen Abkühlung drohen vor allem Leerstände im höherpreisigen Wohnsegment.
Logistik
Die in vielen Branchen eng getakteten Lieferketten haben in den vergangenen Jahren die Lagerzeiten möglichst niedrig gehalten, um kosteneffizienter zu sein. Dieser Trend könnte sich durch die aktuellen Lieferengpässe wenden, und es können vermehrt Lagerflächen nachgefragt werden, um dieser Problematik vorzubeugen. E-Commerce könnte von der Zeit der „Zuhause-Quarantäne“ vieler Menschen profitieren, da viele alternativ online bestellen. Somit könnten verstärkt Lager- und Distributionsflächen nachgefragt werden. Aktuell besitzen die meisten Logistikimmobilien langfristige Mietverträge. Allerdings bestehen dennoch Insolvenzgefahren für Unternehmen aus besonders krisenanfälligen Branchen.
Hotel
Der Hotelsektor gilt generell als sehr krisensensibel und verbucht aktuell enorme Umsatzeinbußen aufgrund der nahezu vollkommen eingestellten Reiseaktivitäten der Geschäfts- sowie Privatkunden. Betreiber sehen sich dazu gezwungen, ihre Mitarbeiter in die Kurzarbeit zu entsenden oder sogar zu entlassen, da die hohen Fixkosten aktuell nicht gedeckt werden können. Dies könnte ebenfalls Auswirkungen auf die Pachtzahlungen haben. Zumindest könnten die entgangenen Umsätze nachhaltig das Pachtniveau senken.
Projekt- / Bestandsentwicklung
Bei aktuell in Planung oder im Bau befindlichen Projekt- bzw. Bestandsentwicklungen könnten sich Verzögerungen ergeben. Genehmigungsprozesse werden mit hoher Wahrscheinlichkeit länger dauern, da alle Behörden auf die notwendigsten Funktionen heruntergefahren wurden. Die Bauprozesse könnten durch Ansteckungsrisiken, eingeschränkte Reisefreiheit und dadurch erhöhte Mangel an qualifizierten Bauarbeitern und Engpässen in der Materialbeschaffung beeinträchtigt werden. Ebenfalls könnten Bauunternehmer die wirtschaftlichen Folgen spüren, wodurch der Ausfall einzelner Gewerke zusätzlich die Bauzeiten verzögern könnte. Nach Fertigstellung könnte die Vermietung zu ungünstigeren Konditionen als zunächst geplant möglich sein.
Schlussfolgerung
Das turbulente wirtschaftliche und finanzielle Umfeld wird auch die Immobilienmärkte negativ beeinflussen. Aufgrund der Bewertungssystematiken, der Governance sowie der geringeren Liquidität sollten die Abschläge aber geringer ausfallen als in liquiden Anklageklassen. Allerdings wird es noch stärker als bislang darauf ankommen, in die richtigen Länder, Regionen, Segmente und Lagen zu investieren.
Die Auswirkungen der Krise können die Fundamentaldaten des Immobilienmarktes, etwa durch die Erhöhung der Arbeitslosenquoten und einen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, negativ beeinflussen. Dies könnte dazu führen, dass leerstehende und neue Flächen schwieriger zu vermieten sein werden, die Mietpreise zurückgehen und die Leerstandquoten steigen. Zudem können Immobilien dadurch auf den Markt kommen, dass Eigentümer ihren Zahlungsverpflichtungen, beispielsweise wegen Kreditfinanzierung, nicht nachkommen können. Dennoch können diese Auswirkungen durch die niedrigeren Fertigstellungen der vergangenen Jahre und den dadurch entstandenen Nachfrageüberhang (geringe bestehende Leerstände) reduziert werden.
Generell verfügt die Anlageklasse Immobilien aufgrund ihres Charakters (Investment in Realwerte verbunden mit laufenden Erträgen) über attraktive Eigenschaften in breit diversifizierten Vermögen. Im Nachgang der aktuellen Krise sehen wir gute Chancen für Opportunitäten in Bereichen, in denen das Angebot an leerstehenden Flächen gering ist und geplante Fertigstellungen niedrig bleiben. Hinzu kommen Objekte, die auf den Markt kommen, weil die Eigentümer Buchgewinne realisieren oder Liquidität generieren müssen. Interessant bleiben zudem im Bestand befindliche langfristig vermietete gewerbliche Immobilien und Bestands-Wohnimmobilien in aussichtsreichen Lagen.
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HQ Trust ist das Multi Family Office der Familie Harald Quandt. Wir kümmern uns um das Vermögen von Privatpersonen, Familien, Stiftungen und institutionellen Anlegern. Unser Team bietet Dienstleistungen in den Bereichen Family Office, Private Vermögensverwaltung, Alternative Investments und Beratungsdienstleistungen für institutionelle Anleger.
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