
„Der Wirkungsgrad eines Projekts im Bereich Philanthropie ist extrem“
Wenn Vermögende darüber nachdenken, Gutes zu tun, mündet das häufig in einer Geldspende oder der Gründung einer Stiftung. Im Interview spricht Kerstin Rasch über einen weiteren Weg, der in manchen Fällen noch besser passt und auch zur Umsetzung von Herzensprojekten führen kann.
Wenn Vermögende darüber nachdenken, Gutes zu tun, mündet das häufig in einer Geldspende oder der Gründung einer Stiftung. Im Interview spricht Kerstin Rasch über einen weiteren Weg, der in manchen Fällen noch besser passt und auch zur Umsetzung von Herzensprojekten führen kann.
Was spricht eigentlich gegen philanthropisches Engagement von Vermögenden, Frau Rasch?
Nichts. Warum sollte etwas dagegensprechen?
Weil ich so viel über Stiftungen lese, wenn Vermögende etwas Gutes tun, aber so wenig über Philanthropie.
Ach, in diese Richtung zielte Ihre Frage. Ich beginne meine Antwort mit dem theoretischen Teil. Philanthropie ist der Oberbegriff, wenn es darum geht, etwas Gutes zu tun. Das können Sie – daher kommt auch der Begriff – mit menschenfreundlichem Denken und Verhalten angehen… aber Ihnen ging es sicherlich um den materiellen Ansatz. Auch da gibt es viele Möglichkeiten Gutes zu tun. Etwa über einmalige Geld- oder Sachspenden, eine Stiftung oder ein anderes gezieltes und nachhaltiges gesellschaftliches Engagement.
Da Sie gerade vom theoretischen Teil gesprochen haben, kommt sicher auch noch ein praktischer …
Genau. Und in dem sage ich, dass Sie mit Ihrer Feststellung Recht haben. Das liegt zum einen daran, dass ein Großteil des philanthropischen Engagements in Stiftungen mündet, die zweifellos sehr viele Vorteile haben. Zum anderen daran, dass manche andere Wege für philanthropisches Engagement gar nicht so bekannt sind.
Dann ändern wir etwas daran! Ich stelle meine Einstiegsfrage noch einmal anders: Was spricht eigentlich gegen Stiftungen?
(lacht) Auch nichts. Es muss aber nicht immer eine Struktur sein, die dauerhaft besteht. Sondern es gibt auch zeitlich befristete Möglichkeiten, da denke ich beispielswiese an Förderinitiativen. So etwas ist vor allem sinnvoll, wenn noch nicht ganz klar ist, ob sich jemand um dieses Thema aktiv und dauerhaft kümmern möchte. Es ist sozusagen ein Einstieg in ein gemeinnütziges Engagement.
Können Sie das etwas konkreter machen?
Natürlich. Ich gebe Ihnen ein Beispiel für eine Situation, in der eine Stiftung nicht die beste Lösung ist: Ein Unternehmerehepaar, Mitte 50, hat zwei Kinder, die 16 und 20 Jahre alt sind. Bislang hatten die beiden schon alleine altersbedingt wenig mit Entscheidungen zu tun, die auf größere Projekte oder Geldsummen hinauslaufen. Nun möchte die Familie neben der bereits vorhandenen Stiftung noch zusätzlich etwas Gutes tun.
Ich ahne, was Sie in einem solchen Fall vorschlagen würden …
Sie haben schon wieder Recht. Eine Stiftung ist ein langfristiges Engagement, das in einer dauerhaften Struktur umgesetzt wird. Und für das Sie auch bestimmte Summen brauchen. Aber darum geht es in meinem Beispiel ja gar nicht. Hier geht es nicht um Geldanlagen für Jahrzehnte, sondern ein oder mehrere kurz- bis mittelfristige Projekte, für die Sie keine Millionenbeträge benötigen.
Sondern?
Es gibt viele Projekte, bei denen Sie mit einem fünf- oder niedrigen sechsstelligen Betrag bereits sehr viel bewirken können.
Was könnte ein solches Projekt denn sein?
Bei vermögenden Familien ist häufig Bildung ein wichtiges Thema. Aber die Bandbreite ist sehr groß. Es geht in den Projekten um die Themenbereiche Kinder- und Jugendhilfe, um Kunst und Kultur sowie Gesundheit und Wissenschaft. In den vergangenen Jahren verstärkt hinzugekommen ist der Bereich Naturschutz sowie Projekte, bei denen es darum geht, eine Region zukunftsfähiger zu machen.
Das ist ein ziemlich weites Feld…
Genau. Von daher kommt es darauf an, herauszufinden, was der Familie wichtig ist. Häufig fällt eine Entscheidung für ein oder mehrere Projekte in der Nähe des eigenen Wohnorts – oder zumindest im gleichen Bundesland oder Land. Wenn noch nicht ganz klar ist, ob – und wenn ja in welchen Regionen/Themenbereichen – sich eine Familie konzentriert engagieren möchte, ist die Hinzunahme eines Philanthropie-Beraters sinnvoll.
Wie geht ein solcher Berater vor?
In der Regel findet ein eintägiger Workshop statt, der ausschließlich zum Ziel hat zu prüfen, ob ein gemeinsames philanthropisches Engagement der Familie stattfinden und in welcher Struktur beziehungswiese über welche Wege dies erfolgen soll. Oftmals schlägt der Philanthropie-Berater nach der Zieldefinition zu Beginn Projekte vor, die den erarbeiteten Wünschen der Familie entsprechen, die Familie entscheidet dann final über die Vergabe der Gelder in die Projekte.
Ich nehme mal an, dass der Philanthropie-Berater das nicht gratis macht …
Das ist richtig, die Hinzunahme eines Profis lohnt sich aber. Auf Sicht soll dann die Familie immer mehr in die Verantwortung der Selbstorganisation kommen, wenn sie dies wünscht. Allein schon, um die Kosten des Beraters zu minimieren. Denn die Kosten für die Beratung sollten nicht mehr als rund 10 bis 15 Prozent des Budgets für philanthropisches Engagement betragen.
Können Sie ein Beispiel für ein Projekt nennen, das umgesetzt worden ist?
Gerne. In einem Fall hat sich eine vermögende Familie entschieden, Kindern in sozialen Brennpunkten zu unterstützen, die gar nicht so weit vom Wohnort der Familie entfernt lagen. Ein Schwerpunkt der Förderinitiative lag auf von Spezialisten begleiteten Kurzurlauben von Familien, die sich das nicht leisten können und Probleme innerhalb der Familie haben. Ein anderer auf der Unterstützung von Projekten, die Schüler ins Berufs- oder Studienleben begleiten.
Es gibt sicher aber nicht nur Projekte in der Nähe des Wohnorts einer Familie, oder?
Nein. In einem anderen Fall konnten mit einem Spendenvolumen von 100.000 Euro pro Jahr eigene Projekte in Entwicklungsländern mit Spezialisten vor Ort umgesetzt werden. Mit einem solchen Betrag können Kinder, Jugendliche und auch Frauen im Hinblick auf Ausbildung, gesunder Ernährung und Hygiene geschult und bis zu 5000 Menschen erreicht werden. Mit einem Budget von rund 5000 Euro können bereits Brunnen gebaut werden, die dann bis zu 500 Menschen erreichen.
Gibt es in den Familien manchmal Streit darüber, welches Projekt ausgewählt wird?
(lacht) Vielleicht wenn ich nicht dabei bin. Aber ich weiß, was Sie meinen. Es gibt tatsächlich sehr viele förderungswürdige Projekte, die in sehr unterschiedliche Richtungen gehen. Und natürlich stimmen die Ideen in einer Familie nicht immer überein.
Und dann bekommt einfach jedes Projekt einen Teil des Geldes?
Dann könnte die Summe sehr klein werden. Nein, auswählen muss man schon. Aber im unserem Beispielfall könnte sich die Familie dafür entscheiden, dass sie zwei bis drei gemeinsame Projekte unterstützt und daneben noch ein Budget für sogenannte „Herzenzprojekte“ benannt wird. Also ein Thema, das einzelnen Familienmitgliedern ganz besonders am Herzen liegt.
Und wie geht es dann weiter? Die Familie überweist das Geld – und dann?
Diese Frage wird mir oft gestellt. Aber das Geld wird nicht einfach auf ein Konto überwiesen. Die Philanthropie-Berater helfen bei der konkreten Umsetzung, aber auch bei der Messung des Wirkungsgrads.
Wie geht das denn?
Über regelmäßige Reports, in denen es darum geht, was erreicht wurde. Also beispielsweise, wie viele Kinder auf dem Weg ins Berufsleben begleitet, wie viele Familien gefördert worden sind und vieles mehr.
Dann suchen Sie keine Projekte heraus?
Nein. Wir sind ein Multi Family Office. Was wir gut können, ist Familien dabei zu helfen, die passende Strategie für ihr Engagement zu finden. Dazu gehört es, gut zuzuhören, nachzufragen und manchmal auch zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Und natürlich kommt es vor allem auf die Auswahl der Philanthropie-Berater an. HQ Trust hat hier im vergangenen Jahr einen ausführlichen Auswahlprozess durchgeführt und drei Philanthropie-Berater für verschiedene Schwerpunktthemen identifiziert.
Dann stelle ich zum Abschluss meine Anfangsfrage noch einmal, natürlich in abgewandelter Form: Was spricht eigentlich für philanthropisches Engagement von Vermögenden, Frau Rasch?
Eine ganze Menge. Ich denke, dass ein solches Projekt auf verschiedenen Ebenen Mehrwert schafft. Zum einen natürlich auf der Seite derer, die von dem Projekt profitieren. Aber eben auch auf der anderen Seite. Es verstärkt den Zusammenhalt in der Familie und führt Familienmitglieder, die mit „Business-Themen“ vielleicht noch nicht so viel zu tun hatten, an Projekte heran. Und ich glaube, dass ein solches Projekt Eltern überraschen kann, welche Impulse die NextGen geben kann. Der Wirkungsgrad eines Projekts ist extrem.