Das aktuelle Umfeld mit Ukrainekrieg, hoher Inflation und Rezessionsgefahren hinterlässt auch Spuren im Bereich Alternativer Investments. Im Interview sprechen Jochen Butz und Kay Gallus darüber, ob es derzeit sinnvoll ist, in Private Equity und Venture Capital zu investieren.
Bei den Alternativen Investments sind die Anleger offenbar etwas vorsichtiger geworden: Zum Teil sind Kaufpreise und Transaktionsvolumen zurückgegangen. Sollen Investoren derzeit besser einen Bogen um Private Equity und Co machen; Herr Butz?
Jochen Butz: Nein! In der Vergangenheit erwies es sich sogar als günstig, in Krisenzeiten zu investieren. Aber zunächst ist es wichtig, einen Unterschied zwischen den liquiden und den sogenannten illiquiden Anlageklassen zu erklären. Bei Aktien oder Renten investieren Anleger ihr Kapital sofort, Private Equity-Fonds haben aber einen fünfjährigen Investitionszeitraum.
Das bedeutet, Private Equity-Fonds, die im Jahr 2022 aufgelegt werden, kaufen ihre Beteiligungen in den nächsten fünf Jahren?
Jochen Butz: Genau. Anschließend werden sie durchschnittlich weitere fünf Jahre gehalten. Währenddessen setzen die Unternehmen individuelle Wachstumsstrategien um. Sollte es also in nächster Zukunft zu einer Rezession kommen, können Fonds des Auflagejahres 2022 in dieser Rezession oder danach gute Unternehmen zu tendenziell günstigeren Preisen erwerben.
Wenn die Preise der Unternehmen nicht mehr nach oben gehen: Macht das die Investments sogar noch attraktiver?
Kay Gallus: Dass der günstige Einkauf für bessere Renditen sorgt, belegt der Blick in die Vergangenheit: Private Equity-Fonds, die in Krisenjahren oder in den Jahren darauf aufgelegt wurden, haben häufig eine überproportionale Rendite erwirtschaftet. Dies hängt unter anderem mit der bereits erwähnten Haltedauer zusammen: Nach einigen Jahren sieht die Welt häufig wieder besser aus und Unternehmenspreise steigen in der Regel wieder.
Jochen Butz: Zudem setzten gute Private Equity Manager in Ihren Investitionsrationalen nicht primär auf steigende Unternehmenspreise, sondern generieren die Rendite im Wesentlichen aus drei Quellen: der operative Wertsteigerung der Beteiligungen, der Fremdfinanzierung und dem sogenannten „Multiple Arbitrage“, also dem Verkauf einer Beteiligung zu einer höheren Bewertung im Vergleich zum Kauf.
Letzteres wird in dem aktuellen Umfeld voraussichtlich schwerer …
Jochen Butz: Historisch hat Multiple Arbitrage einen substanziellen Beitrag zur Rendite beigetragen – in der Vergangenheit jedoch vermehrt durch die qualitative Verbesserung getrieben. Genau dieser Faktor, die Unternehmen während der Haltedauer zu verbessern, wird im aktuellen Umfeld unabdingbar sein, um weiterhin von Multiple Arbitrage profitieren zu können.
Gilt das auch für den Bereich Venture Capital?
Kay Gallus: Ja, auch hier werden die Investments dank niedrigerer Einstiegsbewertungen attraktiver. Im Vergleich zu Private Equity sind die Bewertungen bei VC in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen, da das Umfeld sinkender Zinsen hier bewertungsseitig enormen Rückenwind gab. Aktuell erwarten wir daher auch einen stärkeren Rückgang der Venture-Bewertungen in einigen Finanzierungsphasen, abhängig davon, wieviel Zeit dem Unternehmen noch bis zu einem potenziellen IPO gegeben wird. Unternehmen, die kurz vor einem IPO stehen oder sehr spätphasig sind, trifft es hier überproportional – siehe Klarna.
Und wie geht es weiter?
Kay Gallus: Insgesamt wird es in illiquiden VC-Portfolien voraussichtlich noch einige Quartale dauern, bis sich die Bewertungsrückgänge vollumfänglich niederschlagen. Insgesamt sollten die aktuellen Marktentwicklungen künftige Investments attraktiver machen. Anlegern hilft zudem, dass der zugrundeliegende Megatrend im Technologiebereich ungebrochen ist: Die Nachfrage nach effizienten technologischen Lösungen etwa rund um die Cloud oder im Bereich der Unternehmenssoftware wird noch lange anhalten. Unternehmen, die solche Technologien und Dienstleistungen anbieten, könnten operativ sogar von einem Umfeld höherer Inflation profitieren, da Ihre Produkte bei den Kunden kostensenkend wirken können.
In Summe gilt also, dass sich Investoren langfristig keine allzu großen Sorgen machen müssen und 2022 trotz der großen Unsicherheit doch noch ein guter Jahrgang werden kann?
Jochen Butz: Ja. In beiden Bereichen gibt es gute Gründe anzunehmen, dass 2022 trotz einer möglichen Rezession für Investoren ein guter Jahrgang wird. Zuletzt zeigten sich die Wertentwicklungen auch weiter stabil.
Worauf sollten Anleger bei Investments derzeit besonders achten?
Kay Gallus: Insgesamt kann man festhalten, dass das monatliche Transaktionsvolumen in 2021 sehr hohe Niveaus erreicht hat und sich auf diesem vorerst stabilisieren konnte. Mit Einsetzen der Volatilitäten an den Aktienmärkten war dann ein Abfallen der Transaktionsvolumina festzustellen. Es wird nun wichtig sein, zu beobachten, ob es zu einem weiteren Rückgang kommen wird oder ob sich der Markt stabilisieren kann. Vieles hängt hier auch von den makroökonomischen Entwicklungen ab.
Jochen Butz: Genau. Zudem glauben wir, dass differenzierte und gut umgesetzte Strategien im illiquiden Bereich einen allgemeinen Schutz gegen Volatilität und Inflation bieten.
Das bedeutet, Anleger sollten bei Produkten und Strategien noch genauer hinsehen?
Kay Gallus: So ist es. Grundsätzlich glaube ich, dass im Venture-Bereich unprofitables Umsatzwachstum, oder auch Wachstum um jeden Preis, zukünftig weniger wichtig sein wird. Investoren sollten daher darauf achten, dass der Pfad zur Profitabilität in den einzelnen Unternehmen realistisch ersichtlich ist.
Jochen Butz: Bei Private Equity sollte der Fokus auf operativer Wertschöpfung durch Wachstum und qualitative Verbesserung der Unternehmen liegen. Auch Strategien, mit denen man günstige Einstandspreise realisieren kann, sind attraktiv. Dazu gehören etwa „Buy and Build“ oder „Carve Out“.
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