In den USA haben auch private Investoren seit langem Zugangsmöglichkeiten zur Anlageklasse Private Debt. Auch in Europa werden ähnliche Investitionsmöglichkeiten immer populärer. Nedelina Lazarova erklärt die Vor- und Nachteile dieser Produktinnovationen.
Was Private Debt angeht, sind die Unterschiede zwischen Amerika und Europa sehr groß. Die USA sind der größte und mit Abstand am weitesten entwickelte Private-Debt-Markt weltweit. Es gibt dort zahlreiche Manager und ein breites Angebot an differenzierten Strategien: Private Debt genießt breite Akzeptanz unter Kreditnehmern und ist seit langem ein fester Bestandteil institutioneller Portfolios.
Zum Hintergrund: Bei Private Debt handelt es sich um individuell strukturierte Kredite an kleine oder mittelständische Unternehmen. Die Darlehen werden nicht – wie es in Europa immer noch weit verbreitet ist – von Banken, sondern von Private Debt-Fonds vergeben. Die Anbieter sammeln in diesen Fonds dazu Kapital von institutionellen Investoren sowie vermögenden Privatinvestoren ein. Doch auch hier gibt es einen Unterschied zwischen Europa und Amerika. In den USA können auch weniger betuchte Privatinvestoren Zugangsmöglichkeiten zu dieser Anlageklasse bekommen – über die sogenannten Business Development Companies oder kurz BDCs.
Was Business Development Companies auszeichnet
BDCs genießen Steuervorteile und schütten mindestens 90% ihrer Erträge quartalsweise aus. In ihrer börsennotierten Variante – BDCs müssen das aber nicht zwingend sein – können sie auch für Privatkunden interessant sein. Denn obwohl börsennotierte BDCs genau genommen nichts anderes sind als Aktien, die regelmäßig Dividenden zahlen, bieten sie Anlegern einen ganz anderen Zugang: zu einem breiten Portfolio aus Unternehmenskrediten, das sehr oft die Ausrichtung geschlossener Fonds eines Managers widerspiegelt. Das zugrunde liegende Portfolio kann aus erstrangig oder nachrangig besicherten Darlehen bestehen, Eigenkapital Co-Investments sind ebenso möglich.
Im Prinzip ist es also für Anleger durch den Kauf einer Aktie möglich, das gleiche ökonomische Exposure zu bekommen wie ein Profi – und das in einer Anlageklasse, die dafür bekannt ist, nur sehr vermögende Investoren zuzulassen. Private-Debt-Fondsmanager allokieren ihr Kapital, unabhängig davon, ob es von geschlossenen Fonds, BDCs oder Einzelmandaten kommt. Die Folge: In den USA konnten Fondsmanager durch die Auflage verschiedener BDC-Strukturen zusätzliches Kapital einsammeln.
Wie sich das Private-Debt-Angebot in Europa entwickelt hat
Aus Anlegersicht ist Europa noch nicht so weit wie die USA. Im Jahr 2015 wurde zwar die ELTIF-Initiative (European Long-Term Investment Fund) gestartet mit der Idee, mehr Kapital in langfristige Initiativen einzubinden und dadurch auch die Entwicklung von Geschäftsmodellen in der realen Wirtschaft zu unterstützen. In den Folgejahren wurden allerdings nur sehr wenige solche Fonds lanciert. Die ELTIF 2.0-Regulierung, die im Februar 2023 verabschiedet wurde, soll nun zwischen Produkten für Privatanleger und professionellen Investoren unterscheiden und den Zugang zu Private-Markets-Produkten erleichtern.
Dennoch sind die sogenannten Evergreen-Strukturen (offene Fonds ohne feste Laufzeit, bei den Anteilsrücknahmen möglich sind) insbesondere in den vergangenen Monaten auch in Europa immer populärer geworden, auf dem Markt sind bereits einige Produkte erhältlich.
Was die neuen Produkte Anlegern bieten
Auch wenn es noch nicht viele solcher Produkte gibt: Im Gegensatz zu den bisherigen (geschlossenen) Produkten bietet eine Investition in solche Fonds auch Anlegern deutlich mehr Flexibilität. Vereinzelt gibt es Anbieter, die unter bestimmten Bedingungen eine Anteilsrücknahme bereits nach dem ersten Jahr anbieten. Anders als bei den klassischen geschlossenen Strukturen kann der Investor also aktiv entscheiden, wann er sich von dem Produkt, dem Manager beziehungsweise der Strategie trennt.
Beim Kauf muss im Rahmen einer Anlageberatung darauf geachtet werden, dass der Investor über ein Mindestvermögen von 100.000 Euro und eine Mindestanlagesumme von 10.000 Euro verfügt. Die verlangten Mindestanlagesummen können allerdings vom Produkt zu Produkt unterschiedlich sein. Zudem wird dort ausführlich über Kenntnisse und Erfahrungen gesprochen, die vor allem mit der Laufzeit sowie Art des Investments und der zugrundeliegenden Assetklasse zu tun haben.
Allerdings kann diese ansonsten illiquide Anlageklasse auch weiterhin nicht als herkömmliches börsennotiertes Kreditprodukt täglich gehandelt werden. Im Rahmen der neuen Open-End-Strukturen ohne festes Laufzeitende muss der Investor aber immerhin auch nicht, wie bei den geschlossenen Fonds üblich, mehrere Jahre investiert bleiben.
Was die Produktinnovation für den Private-Debt-Markt bedeutet
Die neuen Strukturen bieten für Initiatoren und Investoren viele Vorteile und Chancen …
- Investoren können ihre Portfolios schneller aufbauen und die Kapitalbindung effizient hochhalten. Auf Wunsch haben sie auch die Möglichkeit, aus Strategien oder Produkten wieder auszusteigen.
- Auch Retail-Investoren können Zugang zu Private-Debt-Plattformlösungen bekommen. Aus Sicht der Anbieter ist das eine Chance sehr schnell, sehr viel Kapital einzusammeln.
- Die Strukturen können als Katalysatoren für die Weiterentwicklung der Finanzmärkte dienen: Immer noch sind in vielen Bereichen signifikante Finanzierungslücken zu erkennen.
- Der Rückzug der Banken in Europa, die sich voraussichtlich bei der Kreditvergabe nach der Einführung von Basel IV noch schwerer tun werden, wird weiterhin beschleunigt.
- Mittelständische Unternehmen (und ihre Geldgeber) bekommen schnelleren und effizienteren Zugang zu Kapital und Liquidität, der auch in Marktphasen von erhöhter Volatilität nicht versagt.
Aber die neuen Evergreen-Strukturen bergen natürlich auch Risiken für Anleger und Anbieter:
- Auch wenn Anteilsrücknahmen möglich sind, ist dies oft nur ein oder zweimal im Jahr, mit signifikantem Vorlauf und unter ganz konkreten Bedingungen möglich. Zum Teil wird die Anteilsrücknahme dabei einem „Portfolio Run-off“ gleichgesetzt. Die Rückzahlungsphase könnte daher unter Umständen genauso lange dauern wie im Falle der geschlossenen Fonds.
- Oft sorgt die Panik unter Privatinvestoren an den Börsenmärkten zu Marktverwerfungen – viele Investmentfonds bekommen in schwierigen Marktphasen Rücknahmeanträge, sehr wahrscheinlich wird dies auch bei den Evergreen-Strukturen der Fall sein. Aus Sicht eines Private-Debt-Managers und des Betreibers solcher Plattformen könnte dies das Risiko mit sich bringen, dass sie plötzlich über wenig Kapital zum Investieren verfügen, was zu großen Reputationsschäden führen kann. Die Anbieter müssen bei der Strukturierung und in der Konzeptionsphase des Produkts dieses Szenario genau analysieren und berücksichtigen.
- Wenn plötzlich zu viel Liquidität in den Markt einfließt, verschlechtern sich die Kreditvergabekonditionen. Es besteht also das Risiko, dass durch das sehr schnelle Einsammeln von Kapital den Markt „kaputtgepreist“ wird.
- Auch in einem wachsenden Markt, sind die Manager am Ende des Tages kurz- bis mittelfristig durch ihre Kapazitäten eingeschränkt. Selbst große Fonds werden irgendwann schließen müssen und neue Investoren nur dann annehmen können, wenn bestehende Investoren ihr Kapital zurückziehen möchten.
Fazit: Werden künftig nur noch Evergreen-Strukturen angeboten?
In absehbarer Zukunft wird das wahrscheinlich nicht der Fall sein. Diese werden aber sicherlich als Alternative zu den klassischen Strukturen angeboten und für Investoren, die sich etwas mehr Flexibilität wünschen, von Interesse sein. Ob sich diese flexibleren Strukturen auch am europäischen Markt etablieren – wie die BDCs in den USA – muss sich aber noch zeigen.
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