Vielen Investoren fällt es schwer einzuschätzen, wie gut ein Fonds abgeschnitten hat, in den sie investiert haben. Fondsselektor Jan Tachtler erklärt, worauf Profis bei der Einschätzung achten – und warum minus 2 % manchmal besser sein können als plus 5 %.

Ein Anleger hat zwei Aktienfonds in seinem Portfolio. Der eine, nennen wir ihn Fonds A, hat im ersten Halbjahr 5 % Gewinn gemacht. Fonds B hat dagegen 2 % verloren. Welcher der beiden Fondsmanager hat einen besseren Job gemacht?

Wenn wir – in diesem theoretischen Beispiel – einmal die tatsächliche Entwicklung an den Kapitalmärkten außen vorlassen, dürften sich viele Investoren für Fondsmanager A entscheiden. Die Performance ist schließlich signifikant besser als bei Fonds B.

Wo für viele Anleger die Arbeit aufhört, fängt sie für einen Fondsselektor erst an

Für die Fondsselektion, also die Auswahl optimaler Fonds für bestimmte Anlageziele, benötigen Experten eine Menge weiterer Informationen. Eine davon ist die Suche nach dem passenden Vergleichsindex. Dahinter steht folgende Frage: War es die Leistung des Fondsmanagements oder lag es vielleicht nur an der Anlageklasse, dass der Fonds in einem bestimmten Zeitraum überzeugt hat?

Hat der Fonds global oder ausschließlich in deutsche, amerikanische oder chinesische Aktien investiert? Oder ist es ein Fonds, der nur Aktien aus einer speziellen Branche oder nach einem gewissen Auswahlkriterium wie etwa hohe Dividenden kauft? Dow Jones, DAX, MSCI World und S&P 500 zählen zu den bekanntesten Aktienindizes. Es ist daher kaum verwunderlich, dass diese Marktindizes sehr häufig als Vergleichsmaßstab für ein Depot oder einen Investmentfonds herangezogen werden. Schließlich verfolgen sie das Ziel, in einer möglichst transparenten Art und Weise die Wertentwicklung eines bestimmten Aktienmarktes abzubilden.

Vergleichsindizes schaffen eine zusätzliche Transparenz für den Investor

Doch wie repräsentativ ist der Marktindex wirklich für das Abschneiden eines Investmentfonds? Ist der Index die optimale Benchmark? Der Duden definiert eine Benchmark als „Maßstab für den Vergleich von Leistungen“. In unserem Beispiel hat die Benchmark von Fonds A ein Plus von 4 % erreicht, die von Fonds B kam auf ein Plus von 1 %.

Es scheint also dabei zu bleiben, dass Manager A besser gearbeitet hat. Sein Fonds hat mit 5 % Zuwachs immerhin noch einen Prozentpunkt besser abgeschnitten als der Markt. Fondsmanager B liegt mit dem Verlust von 2 % dagegen recht deutlich hinter seinem Vergleichsindex. Die sogenannte Underperformance summiert sich auf 3 Prozentpunkte. Doch selbst wenn Anleger auf die relative Performance schauen, also die Wertentwicklung im Vergleich zu einer Benchmark, ist die Beurteilung der Leistung eines Fondsmanagers nicht ganz einfach.

Klar ist, jeder Fonds investiert in einem bestimmten Anlageuniversum, das sich in nahezu allen Fällen durch einen Marktindex abbilden lässt. Der Manager von Fonds A investiert jedoch in US-amerikanische Aktien, der Manager von Fonds B hingegen in europäische Aktien. Der Welt-Aktienindex ist hier demnach kein geeigneter Maßstab, sondern A muss an einem US-Aktienindex und B an einen europäischen gemessen werden. Viele Manager haben jedoch auch einen bestimmten Investmentstil, der vom Marktindex abweichen kann. Zu guter Letzt treffen sie aktive Entscheidungen durch die Auswahl spezifischer Aktien.

Fondsselektoren arbeiten mit bestimmten Formeln

Die Performance ergibt sich aus Marktindex, Stil und Auswahl. Oder kurz gesagt: P = M + S + A. Am wichtigsten für den Fondsselektor ist hier der letzte Buchstabe. Das A steht für die Aktienauswahl des Managers, die zu einem Alpha führen sollte – also einer Wertentwicklung, die über der der Benchmark liegt.

Um von der Theorie zu einem praktischen Beispiel zu kommen, stellen wir uns vor, dass ein Aktienmanager in entwickelten Ländern nur aus Unternehmen auswählen darf, die ein Umsatzwachstum von 20 % über eine bestimmte Periode wie etwa 3 Jahre aufweisen. Auch wenn der MSCI World Index hier das korrekte Investmentuniversum (M) ist, wird nicht jedes Unternehmen im Index dieses Kriterium erfüllen. Der Mehrertrag der Unternehmen, die das Kriterium erfüllen, sind repräsentativ für den Investmentstil des Managers (S). Die Leistung des Managers (A) definiert sich dann wie folgt: A = Performance (P) – Marktperformance (M) – Überrendite des Investmentstils (S). Für den Anleger fallen im Anschluss noch einmal Kosten an, die die tatsächliche Netto-Performance noch einmal mindern.

Worauf ein Fondsselektor bei der Performance achtet

Betrachten wir noch einmal die beiden Fondsmanager aus unserer Beispielrechnung.

Szenario 1: Fondsmanager A schlägt den Markt, der repräsentativ für sein Investmentuniversum steht

Szenario 2: Fondsmanager B schneidet schlechter ab als der Markt

Wie bereits festgestellt: Auf den ersten Blick tendiert man dazu, Fondsmanager A in Szenario 1 eine gute Leistung zu attestieren, da er den Markt übertroffen hat. Bei einer genaueren Betrachtung, fällt aber auf, dass es der Investmentstil war, der für 2 Prozentpunkte zusätzliche Performance gesorgt hat. Die Auswahl der Titel im Portfolio hat sich hingegen negativ auf die Performance ausgewirkt. Das umgekehrte Phänomen können wir in Szenario 2 begutachten. Relativ zu seinem Investmentstil macht der Manager einen guten Job, nur gegen den Markt kann er sich damit nicht behaupten.

Fazit

Kommen wir zum Schluss zur Ausgangsfrage zurück: Welcher der beiden Fondsmanager hat einen besseren Job gemacht?

Selbst wenn man nur auf ein Kriterium wie die Wertentwicklung schaut – die Betrachtung des mindestens genau so wichtigen Risikos haben wir in diesem Beispiel außen vorgelassen – wird klar, dass ein Anleger mehr Informationen benötigt, um einschätzen zu können, wie sein Fonds abgeschnitten hat.

Klar wird, dass sich beide Manager in unterschiedlichen Märkten und Stilen bewegen und somit nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Für Fondselektoren gilt deshalb sicherzustellen, dass man nicht nur Äpfel mit Äpfeln vergleicht, sondern auch sicherstellt, dass beide Äpfel grün sind.

Wichtig ist aber vor allem, dass das ausgewählte Produkt zum Kunden und seinen Anlagezielen passt und dass bei der Auswahl mehrerer Fonds diese auch zusammen ein sinnvolles Portfolio ergeben. Und da diese Ziele sehr unterschiedlich sein können, kann sowohl Fondsmanager A wie Fondsmanager B die bessere Leistung erbracht haben.

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Bitte beachten Sie:
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Jan Tachtler
Kapitalmarktanalyst | Partner
HQ Trust
Jan Tachtler, CIPM, arbeitet seit 2015 bei HQ Trust im Portfoliomanagement. Zu seinen Tätigkeiten als Kapitalmarktanalyst gehören die Durchführung quantitativer und qualitativer Fondsanalysen und die Fondsauswahl. Jan Tachtler ist Co-Portfoliomanager des HQT Megatrends und hält ein Certificate in Investment Performance Measurement.
Inhaltsverzeichnis
  1. Wo für viele Anleger die Arbeit aufhört, fängt sie für einen Fondsselektor erst an
  2. Vergleichsindizes schaffen eine zusätzliche Transparenz für den Investor
  3. Fondsselektoren arbeiten mit bestimmten Formeln
  4. Worauf ein Fondsselektor bei der Performance achtet
  5. Fazit