Ab dem 1. Juli 2023 gelten für Stiftungen einige neue Regeln, etwa mit Blick auf die Vorstandshaftung. Sebastian Winters erklärt, warum sich die Verantwortlichen in Stiftungen und Stiftungsgründer schon heute mit dem Thema beschäftigen sollten.
Herr Winters, was hat der Bundesrat mit Blick auf das Stiftungsrecht beschlossen?
Die wichtigste Änderung ist sicherlich, dass das Stiftungsrecht künftig bundeseinheitlich im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt wird. Das bedeutet, dass es keine Rechtsunterschiede aufgrund unterschiedlicher Landesstiftungsgesetze mehr gibt. Damit fällt die Suche nach dem „besten“ Bundesland für die Stiftung weg, und es gibt mehr Rechtssicherheit für Stiftungen.
Welche Neuerungen sind für die Verantwortlichen von Stiftungen besonders wichtig?
Drei Aspekte haben weitreichende Folgen: Die Haftung des Vorstands für getroffene Entscheidungen, die Möglichkeiten der Zusammenlegung oder Auflösung von Stiftungen und die Verwendung von Umschichtungsgewinnen. Mit diesen Punkten sollten sich die Verantwortlichen in den Stiftungen möglichst früh auseinandersetzen.
Lassen Sie uns mit Aspekt eins beginnen: Fällt die Haftung des Vorstands bald weg?
Nein, die neue Regelung sorgt aber dafür, dass Stiftungsorgane nicht mehr für Entscheidungen haften, bei denen sie sorgfältig vorgegangen sind. Wenn der Stiftungsvorstand seine Entscheidung auf Grundlage angemessener Informationen getroffen hat und er davon ausgehen konnte, dass er zum Wohle der Stiftung gehandelt hat. Als Informationsbeschaffung kann dabei auch das Hinzuziehen von Experten verstanden werden.
Gilt das auch mit Blick auf Anlageentscheidungen?
Ja, Anlageentscheidungen gehören auch dazu. Wenn ein Stiftungsvorstand beispielsweise mit einem Partner zusammen eine Strategischen Asset Allokation erarbeitet, ist das eine fundierte Grundlage. Es könnte bei dieser Bestandsaufnahme ja herauskommen, dass die aktuelle Aufstellung im Bereich der Geldanlage nicht ausreicht, um den Zielertrag zu erwirtschaften, den die Stiftung zur Finanzierung ihres Stiftungszwecks benötigt. Dann sollte sie einen Teil des Kapitals umschichten.
Wobei diese Regelung erst ab Juli 2023 gilt. Was kann der Stiftungsvorstand schon heute tun?
Auf der einen Seite schadet es natürlich nichts, schon heute alle Entscheidungen sorgfältig zu dokumentieren, damit die Verantwortlichen nachweisen können, auf der Basis ausreichender Informationen entschieden zu haben. Das machen viele Stiftungen aber schon lange so. Auf der anderen Seite sollte sich der Stiftungsvorstand gemeinsam mit einem Partner rechtzeitig Gedanken über die zukünftige Aufstellung seiner Geldanlagen machen. Schließlich kann es mehrere Monate dauern, bis eine Entscheidung vorbereitet und durch die internen Gremien entschieden wurde.
Worum geht es beim zweiten wichtigen Aspekt bei den neuen Regelungen genau?
Da geht es um die Zusammenlegung von Stiftungen und die Auflösung einer Stiftung. Beides war bislang ein schwieriges Unterfangen.
Warum sollten Stiftungen mit anderen zusammengelegt oder geschlossen werden? Sind sie doch eigentlich auf unbestimmte Zeit, also für die Ewigkeit aufgelegt…
In der Theorie ist das so. In der Praxis fällt es vielen Stiftungen in der anhaltenden Niedrigzinsphase aber schwer, der Erfüllung ihres Stiftungszwecks nachzukommen, insbesondere wenn die Verantwortlichen das Kapital risikoavers anlegen. Die Erträge sind dann häufig zu niedrig und der Aufwand für die Verwaltung steht in keinem guten Verhältnis zum Nutzen. Die neue Regelung vereinfacht es, dass Stiftungen ihr Vermögen auch verbrauchen dürfen oder mit einer anderen Stiftung zusammengelegt werden können. Aus zwei oder mehreren kleinen Stiftungen könnte also eine größere Stiftung entstehen.
Zwei Kranke machen aber bekanntlich keinen Gesunden.
(lacht) Das ist richtig. Viele kleine Stiftungen mit Ertragsproblemen ergeben nicht automatisch eine große Stiftung ohne Probleme. Dennoch kann es Größenvorteile geben, denken Sie beispielsweise an die Kosten für die Verwaltung oder Bilanzierung.
Was sollten die Verantwortlichen bei diesem Aspekt beachten?
Wer über einen Zusammenschluss nachdenkt, sollte sich rechtzeitig auf die Suche nach einem Partner machen. Die Suche nach einem Verbündeten, bei dem eine Stiftung andocken kann, dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen und bedarf professioneller Unterstützung. Hier kann beispielsweise der Bundesverband Deutscher Stiftungen ein guter Ansprechpartner sein.
Es geht hier also um eine Regelung für bestehende Stiftungen.
Nicht nur. Wer heute eine Stiftung gründet, sollte daran denken, die Punkte Auflösung und Verschmelzung in der Satzung zu berücksichtigen. Auch wenn das aus heutiger Sicht dem Verantwortlichen vermutlich unwahrscheinlich erscheint.
Der dritte wichtige Aspekt im neuen Stiftungsrecht dreht sich darum, wie Stiftungen Umschichtungsgewinne verwenden können. Was gehört denn zu diesen Gewinnen?
Das können beispielsweise Erträge aus dem gewinnbringenden Verkauf einer Aktie sein. Bislang wurde dieser Gewinn in eine Rücklage eingebucht und diente der Stärkung des Stiftungsvermögens. Künftig kann er auch dazu genutzt werden, um den Stiftungszweck zu erfüllen, sofern die Satzung keine gegenteiligen Bestimmungen enthält.
Das heißt, die Stiftung kann mit den erwirtschafteten Gewinnen nun leichter Gutes tun?
Genau und dieser Aspekt öffnet ebenfalls den Weg zu anderen Anlageklassen, beispielswiese aus dem Bereich der Alternativen Investments. Auch hier ist es sinnvoll, sich bereits im Vorfeld Gedanken zu machen. Wer könnte ein geeigneter Manager sein – mit wem möchte ich hier zusammenarbeiten?
Zum Schluss bitte ich Sie einen Satz zu vervollständigen: Die Stiftungsrechtsreform …
… führt dazu, dass Stiftungen zusätzlichen Handlungsspielraum erhalten; sie sorgt für mehr Rechtssicherheit und schafft interessante Möglichkeiten.
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