Die Preise auf dem europäischen Wohnimmobilienmarkt haben in den vergangenen Jahren spürbar angezogen. Die Immobilienexperten Kristina Chorna und Adrian Koeve schreiben über die Gründe für den Anstieg – und worauf Investoren nun achten sollten.

Zum privaten Gebrauch oder als Investitionsgut: Wohnimmobilien in Europa erfreuen sich einer starken Nachfrage. Die Kaufpreise sind seit mehreren Jahren in fast allen europäischen Ländern überproportional zu den Mieten gestiegen. Wie deutlich die Zahlen auseinandergelaufen sind, zeigt ein Vergleich mit dem Jahr 2010. Seitdem haben die Hauspreise in Europa um 34 % (2,7 % p. a.) zugelegt, im gleichen Zeitraum haben sich die Mieten lediglich um 16 % (1,3 % p. a.) erhöht.

Europa: Hauspreise und Mieten (2010=100)

Diese Kaufpreissteigerung zieht auch mittlerweile die mediale Aufmerksamkeit auf sich. Unlängst warnten die Bundesbank und andere Institute vor erhöhten Risiken auf dem Wohnimmobilienmarkt, da die Kaufpreise den wirtschaftlichen Grundlagen wie etwa der Entwicklung der Haushaltseinkommen in gleichem Zeitraum weglaufen könnten. Demzufolge schwingt die Diskussion der Erschwinglichkeit von Wohnraum weiter mit. Der Berliner Wohnmarkt und sein versuchter Mietendeckel ist aber nicht nur ein Politikum in Deutschland, sondern betrifft im Kern auch andere Metropolen in Europa. Dennoch wurde der Mietendeckel gekippt: Der Markt soll den Mietpreis weiterhin selbst regulieren.

Die Mieten sind nicht an allen Standorten gleich stark gestiegen

Aus Rentabilitätsgesichtspunkten bedeutet eine überproportionale Kaufpreisentwicklung im Verhältnis zu den Mieten ein Sinken der Rendite. Dennoch konnten private als auch institutionelle Investoren seit mehreren Jahren Wertzuwächse verbuchen, die auch während der COVID-19-Krise nicht abebbten, sondern sogar in dieser Zeit tendenziell stärker wurden.

Die Entwicklung von Kaufpreisen und Mieten war allerdings recht unterschiedlich. Besonders hoch fiel das Plus beispielsweise in den baltischen Republiken sowie in Luxemburg aus. In anderen Ländern war der Zuwachs erheblich niedriger, in Zypern, Italien und Griechenland waren die Preise in der vergangenen Dekade sogar rückläufig.

Europa: Hauspreise und Mieten – Veränderung zwischen 2010 und 2021 Q2 (%)

Zudem gab es große Unterschiede zwischen den Regionen und der Objektart. In Deutschland zum Beispiel legten die Preise für Mehrfamilienhäuser in den Top-7-Städten seit dem Jahr 2010 um 158% zu. Der deutsche Durchschnitt liegt dagegen „nur“ bei 104 %. Das bedeutet, dass die Preise in den Großstädten – und zusätzlich im Luxussegment – überproportional gewachsen sind.

Gründe für die hohe Kaufnachfrage

Die Hintergründe des Nachfrage-Booms sind vielschichtig und enthalten unter anderem eine starke Konjunktur, niedrige Zinsen oder ein knappes Wohnangebot, vor allem in den Metropolregionen. Ein weiteres Argument ist die Geldpolitik der EZB, die nicht nur die Zinsen für Immobilienkredite, sondern auch die Renditen von Nominalwerten wie Renten oder dem Geldmarkt niedrig hält.

Ein weiterer Punkt, warum Wohninvestitionen gesucht sind und sich dies während der Corona-Krise noch weiter verstärkte, ist die Stabilität und Sicherheit der Einkünfte. Die Ausfallwahrscheinlichkeit der Mietzahlungen im Wohnimmobilienbereich war in der Vergangenheit niedrig bis gar nicht gegeben, was gerade in der Pandemie noch einmal bekräftigt wurde. Angesichts der anhaltenden globalen Pandemie sind die Mieteinnahmen im Wohnungssektor robust geblieben, was den defensiven Charakter unterstreicht – eine aus Rendite-Risiko-Betrachtung attraktive Alternative.

Gerade institutionelle Investoren suchen daher verstärkt als Ersatz für klassische Rentenprodukte Alternativen, die sie unter anderem in Wohnimmobilien finden, da diese vom Einkommensfluss vergleichbar mit einem festverzinslichen Papier sind. Auch durch diese erhöhte Nachfrage von großen institutionellen Investoren ist das Transaktionsvolumen für Wohnen in Europa von 13 Mrd. Euro im Jahr 2010 auf 61 Mrd. Euro im Jahr 2020 gestiegen.

Das Wohnsegment bleibt bei Investoren gefragt

Auch wenn die Preise stark angezogen haben, bleibt das Segment Wohnen bei Investoren sehr gefragt. Die wirtschaftlichen Rahmendaten wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder die Arbeitslosigkeit haben sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Dies soll laut der wesentlichen Prognosen auch weiterhin so bleiben. Die Urbanisierung der Großstädte und der Wunsch nach Flexibilität schaffen einen starken Mietmarkt mit niedrigen Eigentümerquoten. Zudem werden die Haushaltgrößen bei steigender Einwohnerzahl immer kleiner, was tendenziell zu einer höheren Wohnnachfrage führt.

Gleichzeitig stößt die Nachfrage auf ein begrenztes Angebot, da der benötigte Wohnraum nicht aus-reicht und die Fertigstellungen oftmals nicht hinterherkommen. Dies wirkt sich zusätzlich steigernd auf die Mieten aus, vor allem im Neubausegment, wenngleich nicht in dem gleichen Ausmaß wie auf die Kaufpreise.

In diesem Bereich sollte zwischen Investitionen in Neubau und Bestandsobjekte unterschieden werden: Bei Neubauobjekten sind die Renditen aktuell historisch niedrig, dafür erhält der Käufer ein Objekt, welches nach dem neuesten Standard und oftmals bestimmten ESG-Kriterien gebaut wurde. Durch den Neubau werden neue Flächen geschaffen, welche die Angebotssituation verbessern. Wird in Bestand investiert, liegen die Mieten oft auf einem „verträglicheren“ Niveau. Durch energetische Sanierung, Kostenoptimierung und etwa das Anbringen von Solarpanelen bringt eine Bestandssanierung nicht nur einen finanziellen Mehrwert, sondern steuert etwas zu der Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei und hilft in der Erfüllung von ESG-Zielen.

Fazit: Worauf Investoren achten sollten

Der Standort, die Qualität der Immobilie und das Preissegment sind einige der Kriterien, die eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Immobilie im heutigen Markt spielen, um weiterhin nachhaltige Investitionen tätigen zu können. Dementsprechend kann das Ausweichen auf andere Märkte wie etwa Südeuropa oder auch Benelux und die sogenannten „Nordics“ sinnvoll sein. Zudem sollte das hochpreisige Segment gemieden werden, da dies einer höheren Marktdynamik unterliegt als das niedrige bis mittlere.

Bei Neuinvestitionen sollte daher genau auf die zu investierenden Märkte und deren Kaufpreise sowie antizipierten Mietsteigerungen geachtet werden. Nachhaltige Mieten zu erzielen, bedeutet aber auch die Mieten für die Mieter leistbar zu gestalten. Daher ist die Zusammenarbeit mit Partnern essenziell, die nah am Markt sind und auch das Sanieren von Bestand verstehen, da hier zukünftig zur Bewältigung des Klimawandels ein großer Beitrag gebracht werden muss. Durch das aktive Steuern einer Immobilienstrategie können nachhaltige Renditen erzielt und gleichzeitig Preiskorrekturen besser getrotzt werden.

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Kristina Chorna
Executive Partner | Co-Leiterin Immobilien und Leiterin Infrastruktur
HQ Trust
Kristina Chorna ist seit 2015 bei HQ Trust tätig und dort als Co-Leiterin Immobilien und Leiterin des Infrastrukturbereichs für die Managerselektion verantwortlich. Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit ist die Beratung privater und institutioneller Kunden beim Aufbau eines indirekten Fondsportfolios. Kristina Chorna verfügt zusätzlich über Erfahrung in den Bereichen Investment Banking, Private Equity und Private Debt. Sie studierte Internationale Wirtschaft an der Universität Uzhhorod (Ukraine) sowie Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.
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Adrian Koeve
Analyst Alternative Investments
HQ Trust
Adrian Koeve ist seit 2019 bei HQ Trust als Analyst im Bereich Alternative Investments tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit unterstützt er vor allem institutionelle Kunden beim Aufbau ihres Immobilienportfolios. Zudem ist Adrian Koeve im Bereich Hedgefonds tätig. Stationen während des Studiums waren unter anderem im Portfoliomanagement und der strukturierten Finanzierung. Adrian Koeve hat an der Bauhaus-Universität Weimar studiert.
Inhaltsverzeichnis
  1. Die Mieten sind nicht an allen Standorten gleich stark gestiegen
  2. Gründe für die hohe Kaufnachfrage
  3. Das Wohnsegment bleibt bei Investoren gefragt
  4. Fazit: Worauf Investoren achten sollten