Der US-Wahlkampf ist in vollem Gange … die Unterschiede zwischen Präsident und Herausforderer sind groß. Doch wer wäre besser für den Kapitalmarkt: Demokrat oder Republikaner? Sven Lehmann analysiert die Daten der vergangenen 150 Jahre.
Es ist mal wieder soweit: Alle vier Jahre wählen die US-Amerikaner ihren Präsidenten. Der Wahlkampf von Donald Trump und Herausforderer Joe Biden läuft längst auf Hochtouren. Natürlich gibt es viele Gründe, die für den einen oder den anderen Kandidaten sprechen. Trotzdem ist die Frage spannend: Wie sollte sich ein Wähler entscheiden, der ausschließlich den Kapitalmarkt im Blick hat? Ist ein demokratischer oder ein republikanischer Präsident besser für Wirtschaft und Aktien?
Wer nur den Aktienertrag im Auge hat, kommt schnell zu einem Ergebnis. Ein einfacher Blick zurück auf die vergangenen knapp 150 Jahre zeigt, dass unter demokratischen Präsidenten in 64 Jahren Präsidentschaft (in die Berechnung flossen immer die kompletten Kalenderjahre ein) der S&P 500 einen Ertrag von 10,9% p.a. erwirtschaftete. Dagegen ist der Ertrag des marktbreiten Aktienindex in den gut 85 Jahren republikanischer Präsidentschaft „nur“ um 8,3% p.a. gestiegen.
Entwicklung des Ertrages des S&P 500 in US-Dollar
Wenn ein Anleger es sich einfach machen möchte, kann er an dieser Stelle die Analyse beenden. Der Investor kommt zu dem Schluss, dass ein demokratischer Präsident besser für den amerikanischen Aktienmarkt ist.
Allerdings würde es sich der Anleger mit dieser oberflächlichen Betrachtung sehr einfach machen, denn es gibt einige Aspekte, die er zusätzlich beachten sollte. So setzt sich der Ertrag des S&P 500 beispielsweise aus unterschiedlichen Komponenten zusammen. Das heißt, es geht um Fragen wie: Wie sieht es mit der reinen Kursentwicklung aus? Wie haben sie die Gewinne der Unternehmen entwickelt? Wie war die durchschnittliche Bewertung? Und wie volatil waren die Märkte?
Entwicklung des Ertrages, Kurs und Gewinnen sowie KGV und Volatilität
Der tiefere Blick auf die Zahlen seit dem Jahr 1871 zeigt, dass der Vorsprung des demokratischen Präsidenten von 2,6 Prozentpunkten p.a. bei der Kursentwicklung ungefähr erhalten bleibt. Bei den Gewinnen schmilzt der Vorsprung etwas auf 2,1 Prozentpunkte p.a. Allerdings waren die Aktienmärkte unter demokratischer Präsidentschaft einen Tick teurer bewertet. 15,2 zu 14,7 zeigt die Langfristanalyse des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV). Dafür waren die Schwankungen in der Amtszeit von republikanischen Präsidenten ein wenig höher mit 17,5% zu 16,7%.
Zusammengefasst spricht an dieser Stelle immer noch viel für die Demokraten. Allerdings sollten Anleger in der heutigen Zeit mit einer vergleichsweisen niedrig positiven und konstanten Inflation nicht vergessen, dass es auch schon Phasen hoher Inflation oder Deflation in der Vergangenheit gab.
Inflationsrate in den USA
Die Betrachtung auf reale Größen ist besonders aus Konsumentensicht wichtig. Schließlich ist es nicht nur entscheidend wie viel Geld wir besitzen, sondern die Konsumenten müssen auch immer mit einbeziehen, wie viel wir uns damit leisten können. Passen wir die nominalen Ergebnisse mit Konsumentenpreisen an, verändern sich die Ergebnisse. Dann sind die Zeiträume mit einem republikanischen Präsidenten in allen drei Kategorien (Ertrag, Kurs und Gewinne) besser als bei einem Demokraten.
Entwicklung des Ertrages, Kurs und Gewinnen nominal und real
Allerdings ist der Unterschied so minimal, dass man nach dieser realen Betrachtung zu dem Schluss kommen müsste, dass es dem Aktienmarkt egal ist, von welcher Partei der Präsident ist. Dieses Zwischenergebnis ist auch schlüssig, da auf den Aktienmarkt viele Faktoren Einfluss haben. Zudem wirken die meisten Entscheidungen eines Präsidenten selten unmittelbar auf den Aktienmarkt und bis man die Auswirkungen von manchen politischen Entscheidungen in wirtschaftlichen Kennzahlen sieht, vergehen Monate oder auch Jahre.
Nun geht die Analyse noch einen Schritt tiefer: Wie haben sich bestimmte wirtschaftliche Kennzahlen unter den verschiedenen Präsidenten entwickelt? Dazu müssen zunächst einige Einschränkungen gemacht werden: Zum einen wurde nur der Zeitraum nach dem zweiten Weltkrieg betrachtet. Dies liegt vor allem an der besseren Datenverfügbarkeit, aber auch daran, dass die Phasen vor, während und zwischen den Weltkriegen durch viele andere Einflüsse geprägt waren. Zum anderen endet die Analyse 2019, um nicht die Effekte aus der Coronakrise einfließen zu lassen. In den untersuchten 68 Jahren waren die Republikaner 39 Jahre an der Macht, die Demokraten nur 29 Jahre.
Entwicklung von wirtschaftlichen realen Kennzahlen (inflationsbereinigt)
Die wohl wichtigste Kennzahl zum wirtschaftlichen Wachstum ist das reale BIP-Wachstum. Hier liegen die Zeiträume mit einem demokratischen Präsidenten mit 3,6% p.a. Wachstum deutlich vor den Republikanern, die nur auf 2,6% p.a. kommen. Bereinigt man dieses BIP-Wachstum allerdings um die gearbeiteten Stunden (man spricht dann von der Arbeitsproduktivität) liegen beide Parteien jedoch gleichauf mit 2,2% p.a.
Einen großen Unterschied sieht man in der Steigerung der Industrieproduktion: Da liegen die Demokraten mit 4,1% p.a. ganze 2,7%-Punkte vor den Republikanern. Dafür haben es die Republikaner geschafft die Exporte stärker zu steigern: Die Warenexporte wuchsen unter einem republikanischen Präsidenten um 3,9% p.a. und die Exporte von Dienstleistungen sogar um 5,9%. Somit lagen sie vor den Zahlen eines demokratischen Präsidenten. Interessant ist auch, dass die privaten Investitionen unter den Demokraten deutlich mehr wuchsen, und zwar sowohl von den Amerikanern 4,6% p.a. als auch von den Ausländern mit 4,9% p.a. Bei den Republikanern lag das Wachstum knapp 3% Punkte niedriger.
Nachdem wir uns ein paar wirtschaftliche Kennzahlen angeschaut haben, wenden wir uns nun den drei großen Marktteilnehmern zu. Beginnen wir mit dem Staat.
Marktteilnehmer 1: der Staat
Der Staat investiert und konsumiert, dabei liegen wieder Republikaner und Demokraten Kopf an Kopf bei den Steigerungen. Bei den Republikanern waren es 2,3% p.a. und bei den Demokraten 2,2% p.a. Betrachtet man aber nur die Bruttoinvestitionen, lagen die Republikaner vorne mit 2,1% p.a. zu 1,3% p.a. Dafür konnten die Demokraten, was man sicher auch von Ihnen erwartet, die Steuereinnahmen deutlich mehr steigern als die Republikaner mit 4,7% zu 0,4%. Wenig überraschend haben die Republikaner dafür mehr Schulden gemacht. Die Schulden wuchsen bei Ihnen mit 4,2% p.a. um zwei Prozentpunkte mehr als bei den Demokraten.
Was dagegen überrascht ist, dass bei den Republikanern die Transferleistungen stärker gestiegen sind als bei den Demokraten: 6% p.a. zu 4% p.a. Dies liegt aber auch daran, dass während der Zeit der Republikaner die Dotcom-Blase platze. In dieser Phase fand die stärkste Steigerung statt. Würde man die jetzige Coronakrise einbeziehen, wären die Ergebnisse noch eindeutiger.
Staatliche Kennzahlen in Abhängigkeit der Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten
Marktteilnehmer 2: die Unternehmen
Betrachten wir nun den Unternehmenssektor: Interessant ist, dass die Gewinne der Unternehmen nach Steuern unter den Demokraten (4,4% p.a.) stärker gewachsen sind, und zwar deutlich mehr als unter den Republikaner (0,6% p.a.). Dabei sind die gezahlten Steuern der Unternehmen unter den Republikaner um 2,9 % p.a. gesunken und unter demokratischen Präsidenten dagegen um 4,5% p.a. gestiegen. Von allen bisher betrachteten und allen noch zu betrachteten Kennzahlen ist dies die größte Differenz.
Die Schulden der Unternehmen sind sowohl unter den Republikaner mit 4,0% p.a. als auch unter den Demokraten noch ein wenig mehr um 4,8% p.a. gestiegen. Dafür haben die Unternehmen unter den Demokraten mehr investiert. Die Investitionen stiegen unter den demokratischen Präsidenten um 5,8% p.a. Bei den Republikanern stiegen die Investitionen nur um 0,4% p.a. Auch bei den Nettovermögen der Unternehmen liegen die Demokraten (2,6% p.a.), wenn auch nicht viel, vor den Republikanern (1,9% p.a.).
Kennzahlen von Unternehmen in Abhängigkeit der Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten
Marktteilnehmer 3: die Privaten Haushalte
Auch bei den privaten Haushalten sind die Steuereinnahmen, wie man es erwarten würde, unter demokratischen Präsidenten 5,3% p.a. und somit um 4 Prozentpunkte stärker als unter einem republikanischen Präsidenten gestiegen. Auch sind die Konsumausgaben unter den Demokraten 3,6% p.a. gegenüber 2,7% p.a. bei den Republikanern stärker gestiegen. Dafür haben sich die Haushalte unter den Demokraten mehr verschuldet.
Auch das Vermögen der Haushalte ist mehr gestiegen unter den Demokraten, auch wenn man es pro Kopf berechnet oder die Transferleistungen herausrechnet. Nur bei den Stundenlöhnen konnten die Republikaner die Demokraten schlagen, wenn auch nur geringfügig mit 1,4% p.a. zu 1,2% p.a.
Kennzahlen von privaten Haushalten in Abhängigkeit der Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten
Fazit
Ein simpler Blick in die Historie liefert eine eindeutige Antwort auf die Frage, wer besser für die Kapitalmärkte wäre: Unter demokratischen Präsidenten stieg der Aktienmarkt um 2,6 Prozentpunkte p.a. stärker als unter einem Republikaner.
Doch damit würden es sich Anleger etwas zu einfach machen, denn in der langen Historie seit dem Jahr 1871 gab es viele Faktoren, die sich auf Wirtschaft und Märkte ausgewirkt haben. Beispielsweise war die Inflation nicht immer so niedrig und schwankungsarm wie in den vergangenen Jahrzehnten. Rechnet man bei der Entwicklung der Aktienmärkte die Inflation heraus, liegen die beiden Parteien eng zusammen – nun sogar mit einem sehr geringen Vorsprung für die Republikaner. Zudem liefern viele andere Aspekte wie etwa die Entwicklung von Steuereinnahmen, Schulden oder Nettovermögen gute – aber eben zum Teil auch widersprüchliche – Aussagen, welche Partei nun die „besseren“ Präsidenten gestellt hat.
Wenn Anleger nun noch berücksichtigen, dass es häufig einen zeitlichen Verzug gibt, bis die Maßnahmen sich in den ökonomischen Kennzahlen widerspiegeln, sollten sie die Entscheidung besser nicht ausschließlich vom Blick in den ökonomischen Rückspiegel abhängig machen. Schließlich gibt es noch viele Gründe, die für den einen oder den anderen Kandidaten sprechen. In gut vier Jahren wissen wir wieder mehr.
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