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Spätestens seit der Finanzkrise gelten Infrastruktur-Investments als vergleichsweise „sichere Häfen“: Da die Verträge größtenteils langfristiger Natur sind, können Schwankungen und Verluste besser abgemildert werden. Allerdings gibt es auch in diesem Bereich Sektoren, die unter den Pandemiefolgen stark leiden.

Da große Teile der Welt auch weiterhin auf unbestimmte Zeit „geschlossen“ bleiben, um die Ausbreitung des Coronavirus zu reduzieren, können die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Dennoch ist bereits klar, dass die Coronakrise Auswirkungen auf den Infrastrukturmarkt beziehungsweise einzelne Infrastruktur-sektoren haben wird. Darauf deuten Daten der liquiden Infrastrukturmärkte hin, die in den vergangenen Wochen ähnlich stark wie die Aktienmärkte gefallen sind. Im privaten Infrastrukturbereich werden die Auswirkungen – bedingt durch die Bewertungssystematik – dagegen erst in sechs bis zwölf Monaten zu sehen sein.

Allgemeine Auswirkungen des Coronavirus

Die Auswirkungen der Coronakrise auf die Gewinne der einzelnen Investments hängen wesentlich von deren Strukturierung sowie Regulierung und der Solvenz der Schuldner ab. Regulierte Netze wie Wasser, Strom oder Gas bleiben von der aktuellen Situation weitgehend unberührt, da die wesentlichen Infrastrukturdienste auf Basis langfristiger Verträge mit Staaten und Kommunen erbracht werden. Im Gegensatz dazu sollten nicht regulierte, vertragliche Assets ein gewisses Maß an Ertragsschutz bieten, insbesondere bei Take-or-pay-Verträgen (Verträgen mit Zahlungsgarantie unabhängig davon, ob die Dienstleistung erbracht wurde). Investoren können hier einem erhöhten Kontrahentenrisiko ausgesetzt sein, da die Abnehmer möglicherweise in Verzug geraten oder Verträge nicht einhalten können.

Zentrale Probleme der vergangenen Finanzkrise waren fehlende Liquidität und eine unpassende Fremdkapitalquote. Infrastrukturinvestitionen sind jedoch durch hohe langfristige Cashflows sowie durch vergleichsweise hohe EBITDA-Margen gekennzeichnet. Dies ermöglicht den meisten Unternehmen der Branche, Cash-Reserven aufzubauen. Dadurch kann der Rückgang des Umsatzes in Krisenzeiten abgefedert werden, was Investoren zusätzliche Sicherheit bietet.

Oft werden Infrastrukturinvestitionen mit höherem Fremdkapitaleinsatz als andere Assets finanziert, da die Kredite durch langfristige Verträge und dadurch stabile Cashflows abgesichert werden können. Allerdings ist der Fremdkapital-anteil an der Finanzierung von Infrastruktur-Assets in den letzten Jahren zurückgegangen und liegt heute bei Core-Assets im Durchschnitt bei 40 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 waren es noch um 60 Prozent. Auch dieser Vergleich liefert relativ zur letzten Finanzkrise ein positives Ergebnis für Infrastrukturinvestitionen, da der potenzielle Refinanzierungs-bedarf im negativen Marktumfeld geringer ist.

Hinzu kommt, dass Eigentümer von Infrastruktur-Assets einem im Vergleich zu anderen Anlageklassen geringeren Refinanzierungsrisiko ausgesetzt sind, da die Eigentümer in der Regel das sehr niedrige Zinsumfeld in den letzten Jahren genutzt haben, um langfristige Schulden abzusichern. Durch stabile Cashflows aus den langfristigen Verträgen können sie mit besseren Konditionen refinanziert werden. Somit verfügen Infrastruktur-Assets heute über höhere Liquiditätsreserven und niedrigere Fremdkapitalquoten als in der letzten Finanzkrise.

Der Unterschied zwischen „Brownfield“- und „Greenfield“-Assets

Prinzipiell muss zwischen entwickelten „Brownfield“-Assets sowie den sogenannten „Greenfield“-Assets, die sich noch in der Entwicklung befinden, unterschieden werden.

Für „Brownfield“-Infrastruktur-Assets gelten im Wesentlichen die Beobachtungen des vorherigen Abschnitts. Die Aus-wirkungen von COVID-19 machen sich je nach Sektor mehr oder weniger bemerkbar. Allgemein sollten Bereiche mit langfristigen Verträgen, wie etwa in der Ver- und Entsorgung, kaum beeinflusst werden, wie es auch schon in der Krise 2008 der Fall war. Auch der Kommunikationssektor sollte tendenziell kaum beeinflusst werden, da die Nachfrage nach diesen Diensten zunimmt.

Tendenziell wird „Greenfield“-Infrastruktur stärker durch das Virus beeinflusst: Fertigstellungen von Entwicklungen werden verschoben, da teilweise die Lieferketten der benötigten Materialien unterbrochen sind oder die Arbeiten aufgrund neuer Vorschriften zum Schutz der Arbeiter nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden können. Somit kann es in diesem Bereich zu Verzögerungen bei Fertigstellungen kommen, was sich negativ auf die Renditen auswirken wird.

Auswirkungen auf die einzelnen Sektoren

Transport

Der Bereich, in dem man die Auswirkungen des Virus am stärksten spürt, ist der Transport. Durch Reiseverbote und weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens, wie etwa Ausgangssperren, geht das Volumen an Reisenden stark zurück und hat einen direkten negativen Einfluss auf Flughäfen. Auch Mautstraßen, Tunnel, Brücken und Fähren, die Passagierverkehr abdecken, können kurzfristig Liquiditäts-probleme haben. Dies gilt vor allem, wenn sie nicht durch langfristige Verträge abgesichert sind und auf ein gewisses Volumen von Nutzern angewiesen sind. Die langfristigen Folgen auf den Transportsektor, vor allem im Bereich von Fluggesellschaften und Flughäfen, sind dagegen noch kaum abzusehen und hängen von der Geschwindigkeit und Intensität der Erholung der Reisetätigkeit ab. Da die Wachstums-erwartungen für die nächsten Quartale nach unten korrigiert wurden, erwarten wir auch eine langsamere Erholung dieser Assets.

Der Bereich Warenverkehr (Hafenbetrieb und Schienengüter-verkehr) hat sich bisher besser geschlagen, da er nicht von Passagierzahlen abhängig ist. Trotzdem sieht man auch hier teilweise Umsatzrückgänge. Der weltweite Handel wird weiterhin vorangetrieben, wenn auch reduziert, die Zukunftsaussichten hängen aber eng mit dem Produktions-niveau in China und dem Rest der Welt zusammen.

Energie (konventionelle und erneuerbare)

Der Energiesektor wird ebenfalls negativ von dem Virus beeinflusst. Der Ölpreis ist in den vergangenen Wochen kollabiert, was den Druck auf Produzenten stark erhöht hat. Dies wird sich negativ auf den Midstream-Infrastruktursektor auswirken, auch wenn die meisten Verträge mit einem Mindestabnahmevolumen besichert sind.

Zudem fällt die globale Nachfrage nach Energieträgern wie Öl durch die Regierungsmaßnahmen in Verbindung mit der Bekämpfung des Coronavirus, dem Shutdown. In manchen Großstädten ist der Flughafenverkehr um bis zu 90 Prozent eingebrochen. Straßen und Autobahnen sind durch die verhängten Ausgangssperren leer. Einige Analysten prognostizieren, dass dadurch die Ölnachfrage um 10 bis 20 Prozent sinken könnte. Auch die Nachfrage nach Strom und Gas dürfte kurzfristig nachlassen, da viele Industrieunternehmen ihre Produktion verringern oder gar komplett einstellen. Dadurch könnte auch hier der Preis fallen, was für Produzenten negative Folgen haben wird.

Die Preise für Strom haben sich relativ stabil gehalten. Die niedrigere Stromnachfrage von industrieller Seite wird durch höhere Stromnachfrage im Wohnbereich zwar kaum kompensiert, aufgrund ihrer Natur (langfristige Verträge und vorgeschriebene Preise) bleiben die regulierten Versorgungsnetze aber relativ widerstandsfähig und liefern weiterhin stabile Cashflows.

Erneuerbare Energien sollten dagegen von der Coronakrise eher unberührt bleiben. Nur wenn die Krise sich in die Länge zieht, könnten durch niedrigere Nachfrage der Industrie die Strompreise sinken, wenn sie nicht durch langfristige Abnehmerverträge gesichert sind. Tendenziell könnte der Nachfragerückgang aufgrund der fortschreitenden Nachhaltigkeitsdiskussionen stärker zulasten der konventionellen Energie gehen.

Telekommunikation

Die Telekomindustrie sollte von dieser Krise dagegen insgesamt profitieren. In den meisten Ländern arbeiten große Teile der Bevölkerung zu Hause und nutzen in stärkerem Umfang das Internet, Unterhaltungsdienste wie Netflix oder Amazon Prime sowie Webkonferenzen. Dies führt zu einem Anstieg der Datennutzung und der Nachfrage nach besseren Netzen, was sich positiv auf Assets wie Glasfaser, Telekommunikationstürme und Rechenzentren (Data Center) auswirkt. Wenn die Schulen auf Dauer geschlossen bleiben und noch mehr zu Hause gearbeitet wird, kann die Breitbandkapazität der Haushalte möglicherweise auf die Probe gestellt werden, was langfristig zu Upgrades führen kann.

Es gibt aber auch eine negative Seite. Der derzeitige Anstieg der Datennutzung belastet einige Netzwerke, was kurzfristig die Betriebskosten erhöhen könnte. Da Telekomunternehmen im Allgemeinen relativ hoch verschuldet sind, da die Branche durch hohen Investitionsbedarf gekennzeichnet ist, können sie zumindest in Einzelfällen Schwierigkeiten bekommen, sich zu günstigen Konditionen zu refinanzieren. Dadurch kann es zu Liquiditätsproblemen kommen.

Soziale Infrastruktur

Die Auswirkungen des Coronavirus auf Public Private Partnerships (PPPs) sind eher begrenzt, da PPP sich durch langfristige, verfügbarkeitsbasierte Verträge auszeichnen, die weniger volumenabhängig sind. Diese kommen zum Beispiel in den Bereichen Krankenhäuser, Schulen, Polizeigebäude oder Gerichtsgebäude zur Anwendung. Soziale Infrastruktur-Investitionen, die keine PPP sind, wie etwa Labore oder Pflegeheime, sind stärker einem Nachfragerisiko ausgesetzt. Dennoch sollte die aktuelle Gesundheitskrise zu höherer Nachfrage nach genau diesen Dienstleistungen führen.

Schlussfolgerung

In Summe sind wir trotz des turbulenten wirtschaftlichen und finanziellen Umfeldes mit Blick auf die Entwicklung des Infrastrukturmarktes relativ positiv gestimmt. Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Infrastruktur-Sektoren dürften moderater ausfallen.

Infrastruktur-Assets stellen essenzielle Dienstleistungen wie Wasser, Elektrizität oder Transport zur Verfügung, wodurch sie weniger durch ökonomische und Preisänderungen beeinflusst werden. Stattdessen sind sie mehr mit dem allgemeinen Wirtschaftswachstum (BIP-Wachstum) verbunden. Der vorausgesagte scharfe Rückgang des Wirtschaftswachstums in diesem Jahr könnte dazu führen, dass die Bewertungen und damit EV/EBITDA-Multiplikatoren zurückgehen. Historisch sind die Multiplikatoren während und nach Krisen gefallen. Dies ermöglichte, Infrastruktur-Assets zu geringeren Einstiegspreisen anzukaufen und dadurch höhere Renditen zu generieren.

Da Infrastrukturinvestitionen essenzielle Dienstleistungen finanzieren, schätzen wir die Auswirkungen der zu erwartenden Rezessionen insgesamt als vergleichsweise gering ein. Die meisten Infrastruktursektoren sind durch langfristigere Versorgungsverträge charakterisiert und dadurch krisenresistenter. Zudem sind viele Infrastruktureinrichtungen unerlässlich für das Fortführen des Alltags.

In Summe bietet die aktuelle Krise Chancen für Neuinvestitionen in Infrastrukturanlagen. Dies gilt für Investitionen in von der Krise tendenziell weniger betroffenen Sektoren sowie in zu Unrecht abgewerteten Assets.

Zu HQ Trust

HQ Trust ist das Multi Family Office der Familie Harald Quandt. Wir kümmern uns um das Vermögen von Privatpersonen, Familien, Stiftungen und institutionellen Anlegern. Unser Team bietet Dienstleistungen in den Bereichen Family Office, Private Vermögensverwaltung, Alternative Investments und Beratungsdienstleistungen für institutionelle Anleger.

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Kristina Chorna
Executive Partner | Co-Leiterin Immobilien und Leiterin Infrastruktur
HQ Trust
Kristina Chorna ist seit 2015 bei HQ Trust tätig und dort als Co-Leiterin Immobilien und Leiterin des Infrastrukturbereichs für die Managerselektion verantwortlich. Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit ist die Beratung privater und institutioneller Kunden beim Aufbau eines indirekten Fondsportfolios. Kristina Chorna verfügt zusätzlich über Erfahrung in den Bereichen Investment Banking, Private Equity und Private Debt. Sie studierte Internationale Wirtschaft an der Universität Uzhhorod (Ukraine) sowie Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.
Inhaltsverzeichnis
  1. Allgemeine Auswirkungen des Coronavirus
  2. Der Unterschied zwischen „Brownfield“- und „Greenfield“-Assets
  3. Auswirkungen auf die einzelnen Sektoren